IMG 2497bFrankfurter Rundschau vom 20.1.2019, von Olaf Velte

Die Obstbaumbestände in der Bad Homburger Gemarkung sind nun kartiert. Seltene Sorten, wahre Raritäten, wurden gefunden.

Dass im Kurstädtchen Bad Homburg ein „wahres Paradies der Artenvielfalt“ gegenwärtig ist, war kaum zu vermuten. Gemeint ist dabei jedoch keineswegs die nicht mehr vorhandene internationale Badegastklientel – vielmehr stehen heute Kern- und Steinobst im Blickpunkt.

Was die renommierten Fachleute Werner Nussbaum und Hermann Schreiweis auf wochenlangen Fahndungsgängen im herbstlich gefärbten Kirdorfer Feld entdeckt haben, wird heute Abend ab 19 Uhr der staunenden Öffentlichkeit im Stadtteil-Bürgerhaus präsentiert. Die vergangenen Septembertage hat das Duo mit Stadtverwaltungs-Auftrag im 150 Hektar großen Streuobstbezirk auf der Suche nach vorhandenen Sorten verbracht, hat gewissenhaft kartiert und „standortgenau“ digital dokumentiert. Mehr als 3 800 Bäume wurden schließlich gesichtet, begutachtet und nach dem Pflegezustand eingeordnet. Viele der Obstträger seien in guter Verfassung, so ist zu vernehmen.

Was Apfelforscher Nussbaum und Birnenkenner Schreiweis im Innersten beglückt, ist aber das Seltengewordene, auf historischen Wurzeln Wachsende. Alte, lokale Obstbaumsorten sind zu entdecken, zu identifizieren, zu retten. Um es im bürokratisch-nüchternen Tonfall zu sagen: „Streuobstwiesen mit diesen Sorten tragen zum Erhalt von genetischen Ressourcen und damit der Biodiversität bei.“

Längst wird in Kirdorf frisch gekaut oder vergoren getrunken, was unbekannt auf den abertausenden kleinteiligen Flurstücken wächst und reift. Der Pomologe ist also gefordert, um nach Form und Schale, nach Kelch, Stiel und Fruchtfleisch zu identifizieren. Ist es der „Ruhm aus Kelsterbach“, ein „Geflammter Kardinal“, gar der „Horneburger Pfannkuchen“?

30 Birnen- und 126 Apfelsorten


Kurzum: 30 Birnen- und 126 Apfelsorten konnten in dem von der „Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld“ gehüteten Landschaftsschutzgebiet nachgewiesen werden. Zu den Seltenheiten auf der Fläche gehören Veteranen vom Schlage „Galloway Pepping“, „Unseldapfel“ oder „Gascoynes Scharlachroter“. Gefunden wurden Äpfel, die mittlerweile als „stark gefährdet“ eingestuft und oft nur noch als Einzelbäume vorhanden sind. Obstfreunde dürfen jedenfalls gespannt sein, welche Liste am heutigen Abend im Kirdorfer Bürgerhaus präsentiert wird.

Vor Jahresfrist hatte sich das Pomologen-Paar bereits in Homburger Gefilden getummelt. Abgewandert wurden damals der Wingert von Ober-Erlenbach und das Platzenberg-Areal. Insgesamt 67 Hektar Streuobstwiesen, auf denen etwa 1 700 Bäume gedeihen. Wie auch im Feld bei Kirdorf überwiegen die Kernobstbestände. 16 verschiedenen Birnen stehen dort 101 unterschiedlichen Äpfeln gegenüber. Auch hier reine Poesie: „Blauapfel“ und „Borowinka“ und „Purpurroter Zwiebelapfel“.

Ihrem Schicksal sollen die entdeckten Raritäten nicht überlassen werden. Reiser – so die Planung – werden von den Bäumen geschnitten und zwecks Veredelung an „geeignete Baumschulen“ weitergereicht. Damit das wahre Gut bewahrt werde.

Werner Nussbaum wird zu den Ergebnissen der Kartierung im Kirdorfer Feld am heutigen Montagabend berichten. Schauplatz ab 19 Uhr ist der Kleine Saal im Bürgerhaus von Bad Homburg-Kirdorf, Stedter Weg 40. In Frankfurt-Heddernheim bietet der Pomologe am 2. März einen Schnittkurs für Obstgehölze an. Auch bei der „Apfelwein international“-Veranstaltung am 31. März im Frankfurter Palmengarten ist der Kernobst-Fachmann beratend zugegen.

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Frankfurter Rundschau vom 21.1.2019, Dirk Velte