In Kirdorf wird eine gute Apfelernte gefeiert - doch nicht überall sind sie mit dem Ertrag zufrieden.
Olaf Velte, Frankfurter Rundschau vom 30.9.2019
Auf den ersten Blick läuft alles wie gewohnt. Die auf einen Anhänger montierte und vier Tonnen schwere Doppeltisch-Presse rattert und quietscht, ist die maschinengewordene Zuverlässigkeit. Wenige Meter weiter fließt der neue Süße durch die Kehlen der zahlreichen Kelterfest-Besucher. Und doch: Es ist ein Jahr des Wandels für die veranstaltende Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld (IKF).
Erstmals vergärt der aus dem 150 Hektar großen und von rund viertausend Obstbäumen bevölkerten Landschaftsschutzareal stammende Saft nicht alleine unterm nahen Schwesternhaus – die derzeit im Werden befindliche IKF-Halle bietet zusätzliche Möglichkeiten. Was Ende März kommenden Jahres vollendet sein soll, kann jetzt bereits als Gärkeller moderner Prägung genutzt werden. Etwa 22 000 Liter Ebbelwoi sollen laut Zweitem Vorsitzenden Michael Korwisi den 2020er Durst stillen. „Die Hälfte davon wird in der neuen Halle heranreifen“, sagt Fred Biedenkapp, Erster Vorsitzender des vielbeschäftigten Vereins. Dass dort ein geschmacklich anderes Stöffche entstehen wird, ist im ehrenamtlich tätigen und experimentierfreudigen Rund durchaus willkommen.
Zudem wird die bewährte Keimzelle unterm frisch renovierten Schwesternhaus wohl für ein Jahr geschlossen. „Der historische Eiskeller muss ebenfalls saniert werden“, so Korwisi. Nach 14-jähriger Vereinsarbeit ist keinesfalls Müdigkeit eingekehrt, die neu erbaute Zentrale am Rande des örtlichen Streuobstbezirks hat Signalcharakter. Unter den 330 IKF-Mitgliedern – „die Eintrittsquote ist hoch“ – tummeln sich zur Stunde eine halbe Hundertschaft an Aktiven.
Und jede Hand wird gebraucht. Nicht nur während der fünf Keltertermine, an denen insgesamt 30 Tonnen Äpfel in flüssige Form gebracht werden – auch die Pflege von Bäumen und Stücken hat unter veränderten klimatischen Bedingungen an Dringlichkeit zugelegt. „Wir haben“, so Michael Korwisi, „in diesem Sommer etwa 150 000 Liter Brauchwasser ins Feld gefahren.“ Eine Bewässerung, mit der nicht nur die 67 Setzlinge am Leben gehalten werden konnten. Der Bestand scheint es gedankt zu haben: „Die 2019er Ernte war richtig gut!“ Saftig, so Fred Biedenkapp, seien die Äpfel gewesen, zudem kaum vom Ast gefallen.
Mit solchen hoffnungsfrohen Botschaften können die umliegenden Regionen nicht aufwarten. Ein Kelterfest in Grävenwiesbach wurde gerade abgesagt – zu wenig Obst, so die ernüchternde Nachricht. Auch Heiko Fischer, Kopf des Kronberger Gartenbauvereins und ausgewiesener Kenner der Materie, macht sich Sorgen. „Die Qualität der Apfelsorten ist im gesamten Kreis sehr bescheiden.“ Der Behang sei von Gebiet zu Gebiet höchst unterschiedlich, generell fehle das Saftpotenzial. Fischer verweist auf das seit zwei Jahren andauernde „Regenminus“ und befürchtet für die kommende Saison sogar Verluste an Bäumen. „Ständige Trockenheit und zunehmender Schädlingsbefall entwickeln sich zum großen Problem.“
In Kirdorfs Ortsmitte, „uff de Bach“ und nahe bei Kreuz und Brunnen, herrscht zum Fest der Kelter launige Gelassenheit. Mild ist der Süße, kernig der Woi, entspannt die Stimmung. Ein schönes Nebeneinander von Arbeit und Kurzweil. Und wenn die kältere Jahreszeit anhebt, wechselt man hinüber „bei die Magga“, in das jedermann zugängliche Vereinslokal „Glück’s Stuben“. Dorthin, wo in absehbarer Zeit der neue Kirdorfer Schoppen ins Gerippte perlen wird.