Bild FR 2020 04 06Detlef Sundermann, Frankfurter Rundschau vom 6.4.2020

In diesen Tagen werden sich die Streuobstwiesen wieder in ein Blütenmeer verwandeln. Doch um diese gut hundert Jahre alten Kulturlandschaften von Frankfurt, Main-Kinzig bis in die Wetterau steht es alles anders als prächtig. Viele Flächen werden seit Jahren sich selbst überlassen, mit Folgen für die Natur. Nicht selten trage das Desinteresse der Besitzer mit Schuld am Zustand, heißt es.
„Die Realität zeigt uns, dass das Zeitfenster für die Rettung der Streuobstwiesen stetig kleiner wird“, so Jan Weckler (CDU), Landrat des Wetteraukreises und Vorsitzender des Naturschutzfonds Wetterau. Eine Studentin der Hochschule Geisenheim hat jüngst mit ihrer Bachelorarbeit über Streuobstwiesen den Eindruck untermauert _ mit einer Befragung bei Kommunen, Pächtern und Besitzern. Klimawandel, mangelnde Pflege und geringe Wirtschaftlichkeit seien als Hauptursache ermittelt worden. Letzteres ist kein neues Thema. Der Naturschutzfonds initiierte vor 20 Jahren das Projekt „Bioapfel“. Die Ernte nimmt die Kelterei Rapp’s in Karben für ihren Bio-Apfeldirektsaft ab. „Reich werden die Erzeuger von Streuobst nicht. Dank der Bio-Zertifizierung erhalten die Teilnehmer jedoch einen lohnenswerten Aufschlag“, berichtet Franka Hensen, Geschäftsführerin des Naturschutzfonds.

Dass die Vermarktung des Obstes ein Muss für den Flächenerhalt ist, weiß man im Streuobstwiesenzentrum des Main-Äppelhaus auf dem Lohrberg im Frankfurter Stadtteil Seckbach ebenfalls und betreibt diese zum Teil in Eigenregie. Zudem besteht seit viele Jahren mit dem Landschaftspflegeverband Main-Kinzig einen Kooperation bei der Pflege der Wiesen entlang der B521, von Frankfurt-Bergen-Enkheim bis Maintal-Bischofsheim im Main-Kinzig-Kreis. „Es handelt sich um die vermutlich größte zusammenhängende Streuobstfläche in Hessen“, sagt Gerhard Weinrich, Vorsitzender des Streuobstwiesenzentrums.

Gut die Hälfte der Parzellen auf den 355 Hektar seien mehr oder weniger vernachlässigt. Das Zentrum hat früh mit Hilfe der Stadt Frankfurt angefangen, junge Leute und Familien als Pächter zu vermitteln. Mittlerweile ist das Projekt begehrt. „Wir haben rund 120 Bewerber auf der Warteliste, die Flächen pflegen wollen“, so Weinrich. Die Vermittlung stocke oft, weil die Eigentümer von Grundstücken nicht ermittelt werden können.

Streuobstwiesen seien heute nur noch als Hobby und Naturschutzengagement zu betrachten. Keltereien hätten kaum noch Interesse, so Weinrich. Das Main-Äppelhaus hat daher eine mobile Kelterei angeschafft, die auf Bestellung kommt. „Die Leute haben damit von ihrem Streuobst einen direkten Nutzen“, so Weinrich. Den Hobbyobstbauern wird auch sonst unter die Arme gegriffen, etwa mit Kursen und Hilfeleistungen, wie das Anfahren eines Wassertanks in den Dürresommern zur Baumbewässerung. Als Botschafter für den Streuobstwingert wird das Zentrum in diesem Jahr erstmals Kulturlandschaftspädagogen ausbilden, die nach einem Jahr naturkundlich fit sind, aber auch beim Baumschnitt oder Marmelademachen.

Streuobstwiesen mit ihrem ausgeglichenen Bewuchs und typischen Gehölz fördern die Artenvielfalt. „Fledermäuse etwa lieben Streuobstwiesen.“ Laut Heinrich sei grundsätzlich nichts gegen einige bis zu einem gewissen Grad verwilderte Parzellen einzuwenden, weil auch die zur Biodiversität beitrügen. Gewännen die Brombeeren jedoch erst einmal die Oberhand, sei es auch damit vorbei. „Dann ist die Fläche kaputt und es hilft nur noch ein Neuanfang“, sagt Weinrich.

--------> Anmerkung der Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld:

Der Artikel zeigt recht gut, welchen Stellenwert die kontinuierliche Pflege bei der Erhaltung von Streuobstwiesen hat. Dank des langjährigen Engagements der Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld trifft der beschriebene Sachverhalt in Kirdorf zum Glück nur in geringem Umfang zu.

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Detlef Sundermann, Frankfurter Rundschau vom 6.4.2020