Pünktlich zum ersten europaweiten Tag der Streuobstwiese hängen drei neue Wanderfalken-Nistkästen
Taunus Zeitung, Freitag, 30. April 2021
Es ist eine Premiere: Dass am heutigen Freitag erstmals ein europaweiter Tag der Streuobstwiese begangen wird, sei ein gutes Zeichen und unterstreiche die große Bedeutung dieses Naturraums, findet Jörg Eggersdorfer von der Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld (IKF). "Es freut uns sehr, denn unser Verein setzt sich bereits seit mehr als 15 Jahren für den Erhalt der Streuobstwiesen im Kirdorfer Feld ein. Auch die Aktion der IKF am gestrigen Donnerstag passte sehr gut zu diesem besonderen Tag.
Mehrere Aktive der IKF unter Leitung von Eggersdorfer und Wilfried Fechner vom Naturschutzbund (Nabu) Kirdorf hatten sich vorgenommen, drei Behausungen für Wanderfalken zu errichten. Das ist ein arbeitsreiches Unterfangen. Die Stangen, an denen die Falkennistkästen angebracht werden, sind immerhin acht bis zehn Meter lang und werden an einem alten, nicht zu stark verasteten Apfelbaum angebracht. Zunächst müssen die Stangen, beziehungsweise die dafür benötigten Bäume, gefällt werden. Dazu hatte sich die IKF drei abgestorbene Fichten ausgesucht. Diese werden nach der Fällung entastet und entrindet. Dann wird der Nistkasten angebracht und die Stange aufgerichtet.
Falken gehören typischerweise zu den Streuobstwiesen, finden dort aber immer weniger natürliche Behausungen. Im Feld und in den Streuobstwiesen regulieren sie auf natürliche Weise den "Schädlingsbefall" - Mäuse sind eine ihrer Lieblingsspeise. Und diese wiederum knabbern gerne an den Wurzeln und den jungen Stämmen der Obstbäume. Außerdem sind Falken beeindruckende Flugkünstler, wenn sie mit schnellem Flügelschlag scheinbar regungslos in der Luft "stehen" - mit etwas Glück kann man auch einen live sehen, denn es gibt mehrere Falken im Kirdorfer Feld.
Die Wohnungsbeschaffung für die Falken ist eine Fortsetzung der "Vogelhausaktion", die die IKF-Mitglieder Judith, Max und Jörg Eggersdorfer mit 15 Nistkästen im Kirdorfer Feld im Winter begonnen hatten. Auch hier gab es bereits eine gute Zusammenarbeit mit dem Nabu, der als Verein ja auch Mitglied bei der IKF ist.
Die Aktiven der IKF treffen sich jeden Donnerstag im Kirdorfer Feld und ziehen dann (zurzeit meist in Kleinstgruppen) für unterschiedliche Arbeiten in die Streuobstwiesen. So wurden im vergangenen Halbjahr etwa 60 neue hochstämmige Obstbäume gepflanzt, an rund 150 alten Obstbäumen wurden die Misteln entfernt, da sie die Bäume stark schädigen, im gesamten Feld wurden abgebrochene Äste klein geschnitten und an die Wege zur Abholung durch den Betriebshof gebracht und zwei zusammen etwa 8000 Quadratmeter große, völlig zugewachsene Obstwiesen wurden entbuscht, so dass im kommenden Herbst wieder geerntet werden kann und die Bäume wieder Licht und Luft bekommen.
Die Pflanzung von neuen hochstämmigen Obstbäumen wird von der Stadt großzügig gefördert. Die Arbeit der IKF wird außerdem mit einem jährlichen Geldbetrag durch die Stadt unterstützt. "Für die kommenden Monate richten wir uns wieder darauf ein, sollte es erneut einen so trockenen Sommer wie in den zurückliegenden Jahren geben, die rund 900 jungen Obstbäume im Feld zu wässern," sagt Eggersdorfer. 2020 hatte die IKF alle Jungbäume mit insgesamt etwa 200 000 Litern Brauchwasser durch die Trockenperiode gebracht.
Seit März Immaterielles Weltkulturerbe
Der Streuobst-Anbau ist im März von der UNESCO zusammen mit 19 weiteren Kulturformen und Modellprogrammen in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Das hat die Kulturministerkonferenz gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien beschlossen. Damit zeugen nun insgesamt 126 Einträge im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes von der Vielfalt des kulturellen Lebens in Deutschland. Der Streuobst-Anbau als traditionelle Handwerkstechnik sei zwar deutschlandweit verbreitet, jedoch gehen "seit Mitte des 20. Jahrhunderts die Streuobstbestände in ganz Europa zurück. Damit schwindet nicht nur ein kultureller Erfahrungsraum für den Menschen, sondern auch ein ökologisch wertvoller Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten. Lebendig gehalten wird der Streuobstanbau durch ehrenamtliches Engagement", heißt es bei der Deutschen UNESCO-Kommission.
Viele Bestände wurden im 20. Jahrhundert gerodet, was zum Verlust größerer Flächen von Streuobstwiesen geführt hat. "Heute gefährden weniger Rodungen als das schwindende Wissen, fehlende Fertigkeiten und Wertschätzung, der hohe Arbeits- und Zeitaufwand und die mangelnde Rentabilität den Bestand." red
Freitag, 30. April 2021, Taunus Zeitung / Lokales