Donnerstag, 06. Mai 2021, Taunus Zeitung / Lokales
Wegen des kalten Frühjahrs rechnen Imker mit Einbußen bei der Frühjahrsernte
Es ist kalt für Mai. Thomas Schmid, Erster Vorsitzender des Bienenzuchtvereins Obertaunus, ist seit 20 Jahren Imker und kann sich an keinen derart kalten Frühling erinnern. Die Meteorologen haben gar den kältesten April seit 40 Jahren ausgemacht. Doch es frieren nicht nur die Menschen, sondern auch die Bienen. Und das hat Einfluss auf den Honig-Ertrag der Imker.
"Ein Großteil der Frühjahrsernte entfällt in diesem Jahr", erklärt Schmid. Zum einen sind an kalten Tagen weniger Bienen unterwegs, wie der Friedrichsdorfer gerade am vorigen Montag festgestellt hat, als er bei seinen Völkern war. "Die anderen sind im Stock und heizen." Das tun die schlauen Insekten, indem sie ihre Muskeln vibrieren lassen.
Zum anderen verbrauchen die Tiere an kalten Tagen auch mehr Honig für sich selbst. "Das ist ihr Brennstoff", erklärt Schmid. Im Stock müssen immer 30 Grad und mehr herrschen, damit die Brut gut gedeiht.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Blüten von Obstbäumen und Raps derzeit nicht so viel Nektar abgeben. "Es hat in den vergangenen Wochen zu wenig geregnet", so der Bienenkenner. Blüten brauchen Feuchtigkeit - schließlich ist Nektar, der die Bienen anlockt und ernährt, ja flüssig. "Und der Starkwind trocknet die Blüten zusätzlich aus", so Schmid. Wenn es so bläst wie diese Woche, ist gar kein Flugwetter.
Damit Bienen überhaupt fliegen, braucht es Temperaturen von mindestens zwölf Grad. Somit beschränkt sich das Zeitfenster, in dem die Arbeitsbienen Blütenpollen und Nektar sammeln, an kalten Tagen wie diesen auf die wenigen warmen Stunden um die Mittagszeit. "Wenn sie zwei statt sechs Stunden fliegen, reduziert sich der Ertrag auf ein Drittel", rechnet der Taunusimker vor. Er glaubt, dass in diesem Jahr fünf bis zehn Kilogramm weniger Honig pro Bienenvolk eingebracht wird.
Ein kaltes Frühjahr bedeutet auch weniger Nachwuchs für die Honigsammlerinnen. Je mehr Nektar die Arbeitsbienen in den Stock tragen, desto stärker wird das Volk. Wie Schmid gesehen hat, sind die Honigvorräte fast aufgebraucht. Weil die Bienen das Gesammelte derzeit verfüttern, geht der Imker davor aus, dass zweibeinige Schleckermäuler von der Kirsch- und frühen Apfelblüte nichts abbekommen werden.
Dass dies aber auch eine geringere Kirschenernte bedeuten könnte - die Bäume werden ja durch Bienen, die den Pollen an ihren Beinchen von Blüte zu Blüte tragen, erst bestäubt -, davor hat man bei der Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld (IKF) keine Bange. Der IKF-Vorsitzende Fred Biedenkapp hat schon reichlich Bienen fliegen sehen zwischen den rund 4500 Obstbäumen. Zwar sei die Blüte wegen der Kälte vier Wochen später als sonst, doch "das gleicht die Natur wieder aus". Ende September, Anfang Oktober werde man wie gewohnt Äpfel ernten können, ist er überzeugt. Problematischer sei für die Obstbauern das vergangene Jahr gewesen, als es nach warmen Wochen noch mal Frostnächte gab. Das war 2021 bisher nicht so.
Zurück zu den Bienen - für sie beginnt jetzt gerade auch noch die Schwarmsaison. Selbst wenn es in diesem Jahr weniger Nachwuchs gibt, wird es doch bald zu eng im Stock. Dann heben Teile eines Volkes samt Königin ab, um sich woanders anzusiedeln. Für Menschen ist ein solcher Bienenschwarm nicht ganz ungefährlich; um das Schwärmen zu verhindern, räumen Imker dem Volk mehr Platz im Stock ein.
Boom hält bereits seit zehn Jahren an
Die faszinierende Welt der Bienen verstehen wollen immer mehr Menschen. Auch der Bienenzuchtverein Obertaunus freut sich über einen Boom an Hobby-Imkern - bereits seit zehn Jahren. "Es begann beim Hessentag in Oberursel, als wir 2011 gemeinsam mit dem Bieneninstitut unsere Arbeit präsentierten", sagt Schmid. Mehr als 200 "Jungimker" (das "jung" bezieht sich nicht aufs Lebensalter) sind im Verein, Tendenz ständig steigend. Für Imkerkurse gibt es eine Warteliste; dieses Jahr werden die 2020 wegen Corona ausfallenen Kurse nachgeholt. Beliebt ist auch der Tag der offenen Tür des Vereins auf der Saalburg. Er wird in diesem Sommer wohl erneut ausfallen, "denn wir können nicht abschätzen, wie viele Menschen kommen", so Schmid. Anno 2021 kann auch ein Menschenschwarm gefährlich sein.
Anke Hillebrecht