TZ20211002aTaunus Zeitung / Lokales vom 4.10.2021, Matthias Pieren

Apfelernte auf den Streuobstwiesen des Kirdorfer Feldes

Je höher das Tempo und die Taktung unseres Alltages wird, desto lohnenswerter erscheint es mehr und mehr Menschen, sich von der ungesunden Beschleunigung nicht erfassen zu lassen. Wer dieser Tage bei herrlichem Herbstwetter auf dem Kirdorfer Feld unterwegs war, genoss wahrscheinlich selbst die Vorzüge des Müßiggangs - zumindest die erholsamen Momente eines Spaziergangs inmitten einer der wohl schönsten Naturlandschaften der Kurstadt. Mitglieder der Interessensgemeinschaft Kirdorfer Feld (IKF) genießen bewusst die von ihnen bei der Apfelernte wiederentdeckte Langsamkeit. "Die Apfelernte selbst gibt uns sehr viel zurück", sagt etwa der Vereinsvorsitzende Fred Biedenkapp. "Wir sind ja alle das ganze Jahr über in den Streuobstwiesen und haben alle Hände voll mit der Hege und Pflege der Bäume zu tun." Wer das Glück hat, sich im Herbst im Kirdorfer Feld während der Apfelernte etwas länger bei den zumeist pensionierten Männern der IKF aufzuhalten, gewinnt den Eindruck, dass für sie tatsächlich die Zeit stehengeblieben ist - zumindest für die Stunden der Ernte.

 "Das Schütteln der Bäume ist das Anstrengendste", sagt Biedenkapp und hebt einen dickbauchigen "Kaiser Wilhelm" auf, womit freilich nicht der letzte deutsche Kaiser gemeint ist. Vielmehr tragen die erntereifen Früchte einer jener vielen alten Apfelsorten, die auf dem 150 Hektar großen Naturgrund wachsen, diesen Namen. Unter einem benachbarten Apfelbaum haben andere Ernte-Genossen fleißig Hand angelegt und Planen ausgebreitet. Ferdi Ernst ist einer von ihnen. Das Kirdorfer Urgestein greift sich alsdann einen langen Stecken und beginnt, kräftig an dem Geäst des Baumes zu rütteln. Umgehend prasseln die reifen rotbackigen Früchte auf den Boden. "Seit meiner Pensionierung habe ich endlich wieder Zeit, die ich mit Freude hier bei den Streuobstwiesen verbringe", sagt Uli Hett, der auch aus einer alteingesessenen Kirdorfer Familie stammt. "Ich habe die Apfelbäume von meinen Eltern übernommen und das Grundstück wieder in Schuss gebracht." Zuletzt hat Uli Hett neue Bäume auf seinem Grund gepflanzt: alte Apfelsorten wie Boskoop, Berlepsch und Goldparmäne - aber auch Quitte, Nussbaum und Pflaume. Zusammen mit Klaus Dieter Hegen und Rudi Gebele haben sich Hett und Biedenkapp unter einem Baum niedergelassen, um abgeschüttelte Früchte in bereitgestellte Körbe zu sammeln.

Die Momentaufnahme dieser "Landpartie" strahlt Ruhe und Gelassenheit in fröhlicher und vertrauter Runde aus. Hier lässt es sich abseits jeder Hektik schaffen und plaudern - gerne auch über die Erinnerungen aus alter Zeit. "Ich habe früher immer mit meinen Eltern und Großeltern auf dem Familien-Grundstück die Äpfel gesammelt", berichtet Klaus-Dieter Degen. "Beim ,komische Schorsch' in der Gaststätte ,Zum Grünen Baum' wurde unser Apfelwein gekeltert." Für Rudi Gebele sind all das Bad Homburger Geschichten, die er selber so oder ähnlich mit anderen Namen und Ortsmarken in seiner Heimat im Badener Land erlebt hat: "Ich bin 1989 hierhergezogen und froh, bei der IKF eine so tolle Gemeinschaft gefunden zu haben, in der ich mich wohl fühle, wo ich bei der Arbeit Spaß haben kann."

Die Ernte ist für alle anwesenden Rentner der schönste Teil ihres Engagements - auch für Michael Korwisi, den stellvertretenden IKF-Vorsitzenden. "In meinem Leben nach der Politik bin ich von Herzen gerne Landwirt und Koch", sagt der ehemalige Bad Homburger Oberbürgermeister. "Ich freue mich schon darauf, die großen Äpfel in den kalten Monaten des Winters auszuhöhlen und mit einer Walnuss-Honig-Füllung im Ofen zu Backäpfeln schmoren zu lassen." Heute erntet er voller Freude Äpfel der Sorte Ontario von dem Baum, den er einst Ende der 1980er-Jahre noch mit seinem Vater gepflanzt hatte. Wie alle Apfelbäume stehe auch der Ontario in einem Alter zwischen 35 und 60 Jahren voll im Saft und werfe in diesem Alter die ertragreichste Ernte ab.

TZ20211002bKein Superjahr, aber IKF ist zufrieden

"Wir sind mit dem bisherigen Verlauf der Apfelernte zufrieden", so IKF-Vorsitzender Fred Biedenkapp. "Es ist kein Super-Apfeljahr, doch ausreichend für die Keltersaison der IKF." Das Kelterfest wurde wegen Corona abgesagt. Gekeltert wird in der Kelterhalle im Usinger Weg 102 und nicht "uff de Bach".

Am heutigen Samstag wird bei der Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld (IKF) im neuen Vereinsheim im Usinger Weg wieder gekeltert. Der frisch gekelterte Süße stammt komplett von erntereifen Früchten vom Kirdorfer Feld. Den naturbelassenen Süßen gibt es im Vereinshaus und heute auch an einem Stand am Brunnen in der Bachstraße am Kirdorfer Kreuz zwischen 11 bis 16 Uhr zu kaufen.

Außer dem Süßen verkauft die IKF auch andere heimische Produkte wie Apfelsaft in der 5-Liter-Box sowie erstmals im 3-Liter-Standbeutel, Seccos und Gelees auf einer Apfelgrundlage in vielen Variationen. Kunden können gerne eigene Kanister oder große Flaschen mitbringen. map

 

Taunus Zeitung / Lokales vom 4.10.2021, Matthias Pieren

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