TZ2022 10 10 B1Montag, 10. Oktober 2022, Taunus Zeitung

In der Innenstadt fahren Händler und Initiativen die Ernte ein
VON FLORIAN NEUROTH

Wer gut essen will, muss vorher etwas leisten. Auf dem Waisenhausplatz ist das „Suppefassen“ am Samstag mit reichlich Bewegung verbunden. Zahlreiche kleinere und größere Hindernisse gilt es zu überwinden, bevor am Ende der Kochtopf wartet. Auch Ethan schlängelt sich durch den Parcours der Aktionsgemeinschaft Bad Homburg. Ohne Scheu hüpft der Achtjährige in die Hula-Hoop-„Pfützen“, füttert das freilich nur imaginäre Pferd mit den Stoff-Karotten, läuft im Slalom durch den aufgezeichneten „Kuhmist“, balanciert über den „Holzlatten-Bach“, sammelt Pilze und mischt die Ingredienzien zu einem gesunden und vor allem scharfen Süppchen. „Das gibt ein Chili“, erklärt er und nimmt zwei große Löffel Sand/Salz.

TZ2022 10 10 B2Zur Belohnung gibt es ein Tütchen mit Lutscher, Apfel und Flummi. So ganz passt die Beute zwar nicht ins Portemonnaie, dennoch zeigt der Grundschüler die Brieftasche in seinen Händen nicht ohne Stolz. Eben erst hat er den Stoffbeutel gekauft und dabei gar sein eigenes Taschengeld verwendet. Gelohnt hat sich das allemal. Schließlich findet Ethan auf dem Erntedankmarkt in der Louisenstraße reichlich Gelegenheit, die Neuerwerbung auszutesten. „Für einen Markt, auf dem es nur Klamotten zu kaufen gibt, brauchst du kein Portemonnaie. Aber wenn man coole Sachen wie Crêpes kaufen kann, dann sieht das schon anders aus“, sagt er.

Enttäuschung bei einigen Händlern

Tatsächlich wartet der Markt mit vielen Möglichkeiten auf. Bunte Blumenkränze, Wollsocken, Vogelhäuschen, Holzlöffel, Nussknacker, Dufthölzer und feine Tuche, italienisches Mandelgebäck, Lebkuchenherzen, Gin und „Veggi“-Essig, dazu Imbiss- und Getränkebuden - zwischen unterer Louisenstraße und Haingasse reiht sich ein Stand an den nächsten. Wie im Vorjahr haben die Veranstalter von der Aktionsgemeinschaft für zwei Tage in die Innenstadt geladen.

TZ2022 10 10 B3Die Zweiteilung gefällt allerdings nicht jedem. Denn mancherorts wechselt der Beschicker über Nacht. Textildesignerin Daniela Steininger verkauft ihre Produkte - Brillenetuis, Mäppchen und Taschen aus Wollfilz - nur am Samstag und ist etwas enttäuscht. „Die Atmosphäre ist schön, die Leute sind nett, aber es läuft nicht so gut“, berichtet sie. Für Hobby-Imker Björn Pittelkow ein Problem des ersten Markttages. Auch er ergatterte seinen Platz nur für den Samstag. „Morgen ist ein anderer Imker hier. Das ist doof, weil es heute viel weniger Publikumsverkehr gibt. Mir wäre es lieber, wenn der Markt nur am Sonntag stattfinden würde oder alle an beiden Tagen verkaufen könnten“, sagt der Offenbacher, der bereits seit langem auf dem Markt vertreten ist. Das Spektrum reicht vom Waldblüten- über Sommer- und Frühblütenhonig. Eine kurze Anreise hatten die Äpfel am Stand der Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld (IKF). Beim Schaukeltern werden die Früchte gehäckselt und gemust, kommen dann in die Presse, laufen durch den Trichter ins Auffangbecken und dürfen zum Schluss natürlich frisch aus dem Kanister direkt verkostet werden. Die IKF-Mitglieder leisten Schwerstarbeit an den Kurbeln. „Das spart das Fitnessstudio“, sagt Gaby Klein mit einem Lachen. Unterstützung gibt’s ohnehin. Gerade die kleinsten Besucher schauen nämlich nicht nur angeregt zu, sondern drehen auch höchstselbst am Rad. „Süßen Früchtchen“ rückt auch Edith Ronge zu Leibe. Gemeinsam mit ihrer Tochter Christine Düsterwald verkauft die Butzbacherin selbst gemachte Marmelade. Birne Senf, Avocado Apfel, Pfälzer Trüffel, Tannenspitzen oder klassisch mit Rhabarber - die Besucher haben die Qual der Wahl. Ein Aufenthalt am Stand der Marmeladenkocherinnen wird schnell zur Lehrstunde. In einem Ordner haben sie Bilder der verwendeten Pflanzen gesammelt: Susanne Thurau wurde schnell fündig. Banane und Stachelbeere wandern in die Tasche. „Aber es gibt so viele Sorten. Da würde man am liebsten alles nehmen“, sagt sie.

 

logo tzMontag, 10. Oktober 2022, Taunus Zeitung