Von Klaus Späne
Nachwuchs im Kamellenrausch.
Die Jungen und Mädchen kamen beim Umzug "Uff de Bach" voll auf ihre Kosten. Pippi Langstrumpf und die Freiheitsstatue strecken erwartungsvoll ihre Arme in Richtung des Anhängers, voll sehnsüchtiger Erwartung des nächsten Süßigkeitenregens. Und der lässt nicht lange auf sich warten. Bonbons, Popcorn und anderes Naschwerk prasselt auf Pippi und Miss Liberty sowie die vielen anderen Kinder herab, die dicht gedrängt in der Bachstraße stehen, in die Höhe hüpfen oder sich flink bücken, um all die guten Gaben vom Boden aufzusammeln.
Zu der vielbeschäftigten Schar gehören auch Louisa, die mit ihrer roten Zopffrisur unschwer als Pippi erkennbar ist, und Helen, die im grünen Kostüm und selbstgebastelter Fackel die weltbekannte Statue aus New York darstellt. Aus Ober-Erlenbach sind die beiden Siebenjährigen gekommen, nicht nur wegen der Süßigkeitenflut, sondern generell um am Karnevalsumzug "Uff de Bach" teilzunehmen.
Bei fast frühlingshaften Wetter haben sich am Dienstagnachmittag zahlreiche Menschen versammelt, um den Kirdorfer Schlussakzent bei der diesjährigen Fastnachtssaison live zu erleben. Dass "Uff de Bach" mittlerweile Kultstatus erlangt hat, zeigt sich auch bei einigen der Besucher, die das Zentrum des Stadtteils bevölkern. Tanja Neubauer und Susi Scheller kommen nicht nur seit vielen Jahren mit ihren Kindern Felix und Anna respektive Davie und Marvin, sondern postieren sich zudem auch immer an derselben Stelle, um den Zug zu verfolgen: einem eingeschränkten Halteverbotsschild an der Ecke Haupt-/ Bachstraße. Normalerweise seien noch zwei weitere Familien mit von der Partie, aber die hätten wegen Krankheit der Kinder dieses Mal verzichten müssen, sagt Tanja Neubauer aus Dornholzhausen.
Verpasst haben die Krankheitsgeschädigten auf jeden Fall ein Dorf außer Rand und Band. Unter der Regie des Carnevalvereins Heiterkeit schlängelt sich ein aus 33 Zugnummern bestehender Lindwurm durch die Kirdorfer "Altstadt".
Sein Debüt als Moderator der Vernstaltung gibt dabei Uwe Paul, Kennern der Heiterkeitssitzungen als vielfach beschäftigter Bühnennarr bekannt. Ihm zur Seite steht Ehrenpräsident Karl Heinz Kaucher, der mit seinen 85 Jährchen schon etliche Umzüge erlebt hat.
Unter den Augen der beiden Karnevalisten ziehen fast 550 Akteure vorbei am Kirdorfer Kreuz. Den Anfang macht der Spielsmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Kirdorf, denen auf dem Fuß gruselige Wesen folgen. Es handelt sich um die Kinder und die Erzieherinnen des Kindergartens Sankt Johannes, die mitten am Tag als Gespenster ihr Unwesen treiben. Aber auch viele andere Fußgruppen sind unterwegs. So etwa das Kolping Männerballett, das sich in "erotische" Schale geworfen hat und die FdC-Schlosswache, die immer wieder ihre Kanone "Sandlies" ertönen lässt. Mit fast 30 Akteuren nimmt die Turnabteilung der SGK Bad Homburg am Geschehen teil. Darüber hinaus bevölkern die Apfelwein Garde, HCV Clowns, die Nebelkrähen, die Ballettgruppen der CV Heiterkeit oder die Hoppos des Club Humor die Straßen, um noch einige andere zu nennen.
Und natürlich gibt es auch viele Wagen zu bewundern. So das "Tischkicker"-Fahrzeug der Kolping Jugend oder das farbenprächtige Gefährt des FdC-Männerballetts. Dieses läuft unter dem Motto "Ab in den Garten der FdC Quer Beet" und kommt als eine rollende idyllische Schrebergartenlaube daher mit Bank, Bierzeltgarnitur und Hütte. Und in diesem Ambiente wird denn auch in luftiger Höhe feuchtfröhlich gefeiert, versteht sich.
Familiäre Veranstaltung
Ein wahrer Augenschmaus ist Apfelweinkönig Lothar, der vor einem riesigen Apfelweinglas thront und natürlich immer wieder einen Schluck aus einer kleineren Version mit richtigem "Stöffche" nimmt. Den Schluss des Zugs bildet ihre Lieblichkeit, Prinzessin Tanja I., die gewohnt strahlend einen ihrer letzten Auftritte bei der diesjährigen Fastnacht bewältigt.
Das dürfte auch Karl Heinz Kaucher gefallen haben, der ja im Laufe seiner langen Narren-Karriere schon einige Tollitäten durch die Straßen Bad Homburgs hat ziehen sehen. "Ich bin seit 1948 dabei", erzählt der rüstige 85-Jährige,der seit 1990 Heiterkeits-Ehrenpräsident ist. Früher seien die Züge noch durch die ganze Stadt gegangen, erinnert er sich an Veranstaltungen mit über 100 Zugnummern, die über die Höhenstraße bis zum Homburger Bahnhof und dann wieder zurück gegangen seien. "Das war ähnlich wie in Orschel", meint Taucher. Aber in den 60er-Jahren sei dafür kein Geld mehr vorhanden gewesen. Dafür sei "Uff de Bach" heute eine umso familiärere Veranstaltung. Und Kindern wie Louise und Helen dürfte die Größe sowieso einerlei sein - Hauptsache es regnet ordentlich Kamelle.
TZ Artikel vom 22.2.2012