Von Klaus Späne
Im Taunus hat die Apfellese begonnen - Streuobstwiesen sind so reich bestückt wie schon lange nicht mehr
Das Super-Apfeljahr 2011 geht nun auch in Bad Homburg in die heiße Phase. Vor allem in Kirdorf dreht sich dieser Tage fast alles um das Kernobst. Und dabei ist manchmal Vorsicht geboten.
Wenn Jürgen Ludwig und seine Leute im Einsatz sind, verwandelt sich das Kirdorfer Feld in eine Hochrisikozone. Zumindest sollte man gebührenden Abstand wahren, wenn die Männer und Frauen mit ihren bis zu vier Meter langen roten Stangen in die oberen Regionen der Bäume gehen und kräftig an den Ästen rütteln. In diesem Moment bricht ein wahres Inferno los.
Unzählige Äpfel fallen herunter und landen mit einem dumpfen Knall auf der olivgrünen-orangen Plane, die um die Bäume auf dem Boden ausgelegt ist. In diesem Fall ist es ein knorriger, alter Hochstamm, der seine Rheinischen Sohnäpfel von sich wirft. Das rot-grüne Fallobst wird dann von den anderen Helfern in Eimern gesammelt und in Jutesäcke verpackt, die schließlich auf dem Hänger eines Traktors deponiert werden. Eine wahre Sisyphus-Arbeit angesichts der rund 1600 Bäume, die auf den Wiesen beim Sportzentrum Nord-West stehen und die schier zusammenbrechen unter den gewaltigen Apfelmengen. Zwölf Leute, Männer, Frauen, Kinder, der Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld (IKF) sind es, die am Samstagvormittag bei fast schon tropischen Temperaturen mit der diesjährigen Lese begonnen haben. Es ist der zweite Tag und auch längst nicht der letzte. "Die nächsten vier Wochen haben wir zu tun", sagt Jürgen Ludwig, der seit 9.30 Uhr auf dem Feld ist und das wohl noch bis 18 Uhr sein wird. Klar, die Hauptarbeit werde am Wochenende geleistet, aber manche Mitglieder hätten sich speziell Urlaub genommen und seien auch an Werktagen aktiv, sagt Ludwig, bevor er sich zum nächsten Baum aufmacht.
Alte Presse erneuert
Während die Trierer Weinäpfel, Boskoop, Kaiser-Wilhelm Äpfel, Schafsnase und wie die Sorten sonst noch alle heißen, die auf den Kirdofer Streuobstwiesen wachsen, gelesen werden, herrscht ein paar Kilometer entfernt auf der alten Feuerwache ebenfalls Hochbetrieb. Im Mittelpunkt steht eine sechs Tonnen schwere Presse, die auf einem Anhänger montiert ist. Dort werden Äpfel in einen Häcksler geschüttet, der den zerkleinerten Brei ausspuckt, der von Joachim Meyer und Manfred Johann in braune Tücher eingepackt wird. Mit einem Druck von 300 Bar presst das Hydraulikgerät die Masse zusammen, so dass durch einen Schlauch der braune Saft in ein großes 1000-Liter-Plastikfass schießt. Eigentlich sei das heute nur der Probelauf, weil die alte Presse der IKF im Winter restauriert worden war. Bei dem Gerät mussten das Kernstück, der so genannte Stempel, nebst Dichtungen erneuert werden. Der Aufwand für die aus dem Jahr 1942 stammende Kelter hat sich gelohnt, denn am Samstag versieht die Presse anstandslos ihren Dienst und produziert pro Durchgang zwischen 300 und 400 Liter frischen Süßen, den die IKF dann unter anderem zu Apfelwein, ApfelSecco und Apfel-Gelee verarbeitet.
Schwarzpflücker en masse
Wie viel dieses Jahr herausspringt, darauf will sich Vereinsboss Harald Kämpfer nicht festlegen. Es dürfte aber nicht gerade wenig sein, zumal 2011 als Super-Apfeljahr in die Geschichte eingehen wird. "So viel wie in diesem Jahr haben wir in den sieben Jahren seit Bestehen des Vereins nicht gehabt", sagt Kämpfer. Es habe bestimmt schon vorher solche Mengen gegeben, "aber ich persönlich kann mich nicht daran erinnern." Wie viel davon verarbeitet werden kann, hängt auch von zwei Faktoren ab. Das eine ist die Zahl der Erntehelfer. "Es ist immer schwierig, genügend Leute zu finden", sagt Kämpfer. Das andere Problem ist der Apfelklau auf den Wiesen. "Das war in den Vorjahren gravierend", erinnert sich Rosi Siedenkapp an teilweise "Heerscharen", die in die Felder gezogen seien und die Früchte von den Bäumen geholt hätten. Um das Schwarzpflücken dieses Jahr zumindest einzudämmen, hat die IKF rund 150 orange Plastikbänder an den Bäumen aufgehängt, auf denen Sprüche wie "Nur schauen, nicht klauen" aufgedruckt sind. Zumindest in Frankfurt habe man damit gute Erfahrungen gemacht, hofft Jürgen Ludwig auf einen ähnlichen Effekt in Kirdorf.
TZ-Artikel vom 13. September 2011